Re: Drohnenjournalismus

Marcus Bösch stellt sich in seinem Artikel der Frage, warum deutsche Journalisten und Redaktionen sich nicht sonderlich für die Technologie der Drohnen zu begeistern scheinen.

Ich beschäftige mich schon länger mit Drohnen und ihren möglichen Einsatzgebieten im Journalismus.

Die Frage des Kollegen Bösch ist schon berechtigt – in der Werbung sieht das ja alles ganz einfach aus.

In der Realität hingegen…


Typische Einsatzgebiete von Drohnen im Journalismus wären z.B. Luftbildaufnahmen von Katastrophengebieten (Flugzeugdrohnen) oder einfach nur ungewöhnliche Perspektiven (Helikopter/Multikopter) von Bauwerken und Geschehnissen (Demos etc..)

Der Aufwand dafür steht aber in kaum einem Verhältnis zum Ergebnis.


Flugzeugdrohnen lassen sich noch relativ einfach erlernen. Paar Stunden am heimischen PC mit einem Simulator und Modellflug-Fernbedienung verbracht, dann nochmal paar Stunden mit einem Modell auf der Wiese und „schon“ hat man die Grundbegriffe raus. In den Flieger dann einen Autopiloten mit GPS-Wegfindung verbracht, dazu eine brauchbare Kamera – schon kann es losgehen. Nachteil: neben einer Investition von ca. 6000 EUR für Flieger, Kamera, Autopilot etc.. muss man ständig trainieren. Ausserdem taugt so ein Flugzeug nur wirklich für großflächige Aufnahmen und man muss gut vorplanen. Für eine spontane Luftfotografie einer Castor-Demo eher ungeeignet, dafür gut um aus großer Höhe einen Waldbrand zu fotografieren. Aber um ehrlich zu sein: Für die 2 journalistisch relevanten Einsätze zum Thema im Jahr würde ich mir eher einen „richtigen“ Helikopter oder einen Motorsegler samt Piloten mieten.


Helikopterdrohnen haben den Vorteil, dass sie auch mal auf der Stelle stehen bleiben können. Von unten nach oben an einer Häuserwand hochfliegen und ins Schlafzimmer gucken ist in der Theorie auch nicht das Problem. Auch hier helfen Autopiloten mit Höhen- und Lagesensor sowie GPS, das Fluggerät zu stabilisieren.

Aber auch nur in der Theorie. Um eine gescheite Kamera hochzuwuchten braucht man entsprechend große Rotoren, große Rotoren erzeugen ordentlich Wind der von allem möglichen Gegenständen reflektiert wird und recht zufälligen „Gegenwind“ produziert.

Weiterhin ist das Gesamtsystem nie perfekt ausgewuchtet sodass man ein Gefühl dafür bekommt, was Fotografenkollegen mit Morbus Parkinson erleiden müssen: hohe ISO und sehr kurze Verschlusszeiten um ein halbwegs klares Bild zu erhalten. Es sei denn, man wuchtet wirklich alles aus und besorgt sich einen Kameraträger welcher die Restvibrationen nochmal unterdrückt.

Damit sind sogar anständige Videos möglich – bei einem unangemessen hohen monetären Aufwand an Material und Personal weil man eigentlich immer einen Piloten und separaten Kameraoperator braucht.


Eine Verfeinerung der Helikopterdrohnen sind die sogenannten Multikopter. Das sind Geräte mit 3-8 oder mehr Propellern die idealerweise wechselweise Links oder Rechts rotieren zum das Drehmoment der Motoren auszugleichen. Mit Vergleichsweise wenig Aufwand (man muss so einen Rotorarm nur 1x konstruieren um ihn dann 3..8x einzusetzen), aber viel Geld (8x billig ist halt trotzdem teuer) bekommt man sehr schnell ein äusserst stabiles System hin. Entsprechende Steuerungen mit GPS, Autopilot, Wegpunktprogrammierung sind aktuell für weniger als 2500 EUR zu haben – mit rapide fallenden Preisen weil Chinesische Militärausrüster zivile Varianten ihrer Produkte auf den Markt werfen, sodass man mit einem Geldeinsatz von ca. 8.000 EUR schon was brauchbares bekommt.


Egal ob Flugzeug- oder Heli/Multikopter-Drohne: man muss für den Anfang nochmal den Betrag des Kaufpreises an Ersatzteilen rechnen – schnell ist mal bei der Landung ein Propeller oder Arm gebrochen oder die teure Kamera im Matsch gelandet. Aber irgendwann bekommt man das in den Griff (jedenfalls bis zum nächsten Softwareupdate der Steuerungselektronik wo an der entscheidenden Stelle alles anders ist).


Die verschiedenen Werbungen für Spielzeug-, Zivile- und Militärische Drohnen versprechen wahre Wunder, ich möchte an dieser Stelle mit paar Mythen aufräumen.

Die Parrot-Drohne (ein besseres Spielzeug) zum Beispiel kann man angeblich vom Dach eines Hauses quer durch die Innenstadt fliegen lassen, gesteuert anhand des Bildes was die bordeigene Kamera auf das iPad sendet – gesteuert mit dem Neigen und Kippen des Tablets. In Wirklichkeit ist es so, dass die Funkverbindung zur Drohne nach paar mehreren Metern Luftlinie und nach sehr wenigen Metern „um die Ecke“ abreisst. Mangels gescheiter Kompass-, Höhen- und GPS-Sensoren ist die Parrot auch eher nur was für Enthusiasten aber weniger für Journalisten: man muss sich zu stark auf die Steuerung konzentrieren sodass höchstens Schnappschüsse zu erwarten sind.

Grössere Multikopter sind – entgegen der Berichterstattung im Fernsehen – weder besonders leise, besonders einfach zu fliegen oder besonders für Überwachungen geeignet. Um eine schnelle Umsetzung der Regelbefehle zu Gewährleisten dürfen am Motor nur geringe Massen bewegt werden. Das bedeutet kleine Propeller und dafür hochdrehende Motoren. Dafür ist die Nutzlast nur gering, eine Canon 1DMKIV drunterhängen ist nicht möglich.

Oder man baut einfach grösser. So ein Oktokopter mit 8x 13 Zoll Propellern ist schon recht geräuschvoll, kann dafür auch mal eine Profikamera drunterhängen.

Problem bei allen Multikoptern ist die Akkukapazität. Zwar hat man seit der Erfindung der Lithium-Polymerakkus eine wesentlich höhere Leistungsdichte als zu alten NiCd-Zeiten, trotzdem ist bei den meissten Drohnen nach 10-25min Schluss. Die grosse Bandbreite der Flugzeit kommt daher: ein bei Windstille schwebender Kopter braucht wenig Strom, sobald aber Flugmanöver ausgeführt werden müssen oder er sich im Wind stabilisieren muss werden Akkus schneller leergesaugt als es einem lieb ist. Das ist wie beim Auto: mit 160km/h auf einer leeren Autobahn dahingleiten braucht weniger Sprit als Stop&Go mit 30km/h Durchschnittsgeschwindigkeit im Stadtverkehr.

Um eine möglichst grosse Ortsstabilität zu erreichen, ist GPS zwingend notwendig sonst wird das Gerät ruckzuck von einem Windhauch mal paar Meter in die möglichst unpassenste Richtung versetzt. Geocacher zB. kennen das Problem mit der GPS-Genauigkeit: wer nur 3 Satelliten empfängt, dem nützten die genauesten Geokoordinaten nichts. Zwar sind immer recht viele GPS Sender über dem Horizont, auswertbar sind aber nur jene in direkter Sichtlinie. In den Schluchten einer Großstadt ist es mit genauem GPS meisstens Essig, das Navi im Auto zeigt nur noch eine Pseudorealität indem es auf die nächstgelegene Straße synchronisert – dem Autor ist es schonmal passiert, dass das Navi ihn plötzlich in einer Nebenstraße fernab verortete.

Und der gerne gezeigte, CSI-mässige Zoom einer Drohnenkamera auf das Gesicht eines Zuschauers im Fußballstadium ist auch (noch?) Fiktion: ein lichtstarkes Zoomobjektiv (auf den Zuschauerrängen ist es nie sonderlich hell), was aus 40m ein Gesicht heranziehen kann wiegt schon was. Oder man verwendet Kamerachips, die besonders Empfindlich sind ohne eine Rauschorgie zu produzieren – das wäre aber sehr teuer.

Ich hab neulich irgendwo auf Youtube das Werbefilmchen eines US-Drohnenherstellers gesehen der damit wirbt problemlos aus großer Höhe auf das Gesicht eines Verdächtigen zoomen zu können. Die Kamera der Drohne war in einem Gehäuse ähnlich dem Todesstern aus Star Wars verpackt, hatte recht kleine Linsen und erinnerte mich an meine Logitech USB-Webcam für 69 EUR Brutto. Die Drohne konnte tatsächlich recht gut heranzoomen und klare Bilder vom Menschen liefern. Kunststück: der Darsteller stand irgendwo in der Wüste, bei grellem Sonnenlicht kann ich selbst mit einer Lochkamera noch gut arbeiten.

Das nächste Problem besteht darin, dass man Heli- wie Multikopter gemäss den Vorschriften auf Sicht steuern muss. FPV (First Person View, dh. eine Kamera im Fluggerät und der Pilot nutzt eine Videobrille um quasi „vom Flugzeug aus“ zu fliegen) ist eine Teillösung des Problems. Das geht aber nur dann sinnvoll, wenn ein Headtracker in die Brille eingebaut wird der anhand der Kopfbewegung des Piloten die Onboard-Kamera entsprechend schwenkt – schliesslich möchte man wissen, ob man die Ampel in hinreichender Höhe überfliegt).

Achso.. Fernsteuerung.. Je niedriger die Frequenz, um so höher die Reichweite und so geringer die Anfälligkeit wenn sich mal ein Baum dazwischen schiebt. Seiteneffekt: je niedriger die Frequenz, desto niedriger die Bandbreite und desto niedriger die Anzahl der Nutzer die gleichzeitig auf dieser Frequenz arbeiten können. 27MHz ist für Modellflug völlig out, 40MHz hat eine große Reichweite ist aber auch noch problematisch und bedarf immer Abstimmung mit anderen Modellfliegern. Standard heute ist 2,4GHz – Reichweite ganz gut, solange halbwegs Sichtkontakt besteht. Leider kann man in diesem Frequenzbereich nicht gleichzeitig Videosignale transportieren (es geht entweder das Eine oder das Andere), also weicht man für das oben genannte FPV auf 5,8GHz aus – das ist noch störrischer wenn mal was in der direkten Funklinie steht. Könnte man durch Erhöhung der Sendeleistung etwas umgehen, aber in DE und in weiten Teilen der EU gibt es eine recht restriktive Leistungsbegrenzung. In meinen alten CB-Zeiten baute ich mir einen „Nachbrenner“ mit 40 Watt Sinusleistung – mein 5,8GHz Videosender muss mit 0,25Watt Sendeleistung auskommen damit er in DE betrieben werden kann.

Nichtzuletzt geht von einer Multikopterdrohne eine recht grosse Gefahr aus. Wer schonmal das zweifelhafte Vergnügen hatte, einen unverhofft anlaufenden Oktokopter (6 Propeller) abfangen zu müssen weiss, dass man gegenüber diesen Höllenmaschinen höchsten Respekt haben muss.

Großveranstaltung irgendwo, Operator fliegt seinen Kopter über die Menschenmenge, Journalist dirigiert ihn zum besten Standort. Wärend einer Repositionierung nach rechts löst sich ein Propeller und rast mit Anfangsgeschwindigkeit (ca. 12.000 U/min) schräg auf eine Person zu. Der Kopter gerät ausser Kontrolle und knallt mit laufenden Rotoren in die Menge. Hat den Effekt einer kleinen Anti-Personenmine: die Geschädigten überleben, aber nur als Krüppel.

Oder der gerne kolportierte Einsatz im Stadion: um einen Kopter dort auf Position zu halten, braucht er ordentliches GPS, was in den meissten Open-Air Stadien durch die Abschattung der Ränge gar nicht zu bekommen ist. Ausserdem muss der Kopter alle 15min zurück zum Akkutausch und dort auch 5min Ruhen damit die Regler und Motoren abkühlen. Einsatz fraglich.

Es wird sich sicherlich mit neuartigen, leistungsfähigeren Magnetmischungen für die Motoren und neuen Akkumulatortechnologien sowie besseren Kamerachips langfristig ergeben, dass Drohnen mal so werden wie es sich die Werbeabteilungen der derzeitigen Hersteller in ihren zugekoksten Köpfen vorstellen.

Für die nächsten Jahre aber rechne ich nicht damit, dass die Teile so einfach werden dass sich ein Journalist aufs Bild und seine Aufgabe als Berichterstatter – statt auf die Steuerung – konzentrieren kann.

Im Moment braucht man für den Einsatz einer brauchbaren Drohne erstmal einen fetten Koffer für das Fluggerät selbst, Nachführantennen für FPV, ein Auto oder Steckdose in der Nähe fürs Akkuladegerät, eine wohlprogrammierte Fernsteuerung sowie programmierte Empfängersteuerung, einen Satz Reserveakkus, Ersatzteile, Piloten und ganz am Ende einen Fotografen.

Damit ist professionelle Fotografie möglich, ist aber absolut nicht Feldtauglich.

Wer sich mit Knipsbildchen aus dem Handy zufrieden gibt, der mag die Parrot nehmen.

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